Stellungnahme der FSI Geschichte zur neuen Studien- und Prüfungsordnung im Bachelorstudiengang Geschichte

Am 16.10.2019 hat der Fachbereichsrat des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften an der Freien Universität Berlin eine neue Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Geschichte verabschiedet. Die Entscheidung wurde gegen zwei Studentische Gegenstimmen und unter Enthaltung zweier weiterer FBR-Mitglieder durchgesetzt und die neue Studienordnung wird voraussichtlich zum nächsten Wintersemester (2020/21) in Kraft treten. Alle, die noch nach der alten Studienordnung studieren, verbleiben selbstverständlich in dieser, es sei denn, sie beantragen einen Wechsel. Im Folgenden wollen wir, die FSI Geschichte, zur neuen Studien- und Prüfungsordnung unseres Faches Stellung nehmen.

Zunächst ist zu sagen, dass unsere Hauptkritikpunkte an der alten Ordnung im Wesentlichen erhalten bleiben. Weder wurde die allgemeine Anwesenheitspflicht für die Seminare abgeschafft, dazu später noch mehr, noch wurde die Regelstudienzeit auf ein realistisches Maß, welches ein selbstbestimmtes und freies Lernen abseits von Stress und Zeitdruck ermöglichen würde, angehoben. Zugegeben wäre die Änderung der Regelstudienzeit auch durch eine einfache Studienordnung, aufgrund von darübergehenden Vorschriften, nicht möglich. Auch die Begrenzung der Prüfungsversuche auf drei pro Prüfung wird für die Studierenden unter der neuen Studien- und Prüfungsordnung bestehen bleiben. Lediglich die zwei obligatorischen, und in ihrem Zwang überflüssigen, Teilnahmen an der studentischen Studienberatung wurden auf eine obligatorische und eine empfohlene reduziert.

Nun wollen wir die entscheidenden Unterschiede zwischen den beiden Studienordnungen beleuchten.

1. Den Lehrformen wurde die Möglichkeit hinzugefügt einen Kurs hauptsächlich durch E-Learning und ähnliche Methoden zu bestreiten.
Ob und wie diese Möglichkeit genutzt werden wird und wie sie sich auf das Leben der Studierenden auswirken wird, wird sich erst sagen lassen, wenn die ersten solchen Kurse gelaufen sind, weshalb wir es an dieser Stelle bei einem Hinweis darauf belassen wollen.

2. Für einige der Seminare wurden die Prüfungsleistungen geändert.

a. Im Modul „Theorie Methoden und Geschichte der Geschichtswissenschaften“ ist zukünftig eine Hausarbeit mit etwa 2400 Wörtern (6-8 Seiten) als Prüfung verpflichtend. Diese Hausarbeit wird nicht differenziert bewertet. Es ist sicherlich eine positive Entwicklung, dass die Prüfungsform dieses Moduls vereinheitlicht wird und somit gleiche Bedingungen für alle Studierenden geschaffen werden. Auch wenn eine solche „Testarbeit“ einen gewissen Nutzen haben mag, sehen wir es äußerst kritisch, dass dieser, an Prüfungen ohnehin nicht arme Studiengang, man vergleiche ihn beispielsweise mal mit einer alten Magisterordnung, durch eine weitere Prüfung nun noch arbeitsintensiver und verschulter wird, was die Zeit für freie Lektüre weiter einschränkt.

b. Das Modul „Einführung in die Frühe Neuzeit“ wird in Zukunft durch eine Hausarbeit und nicht mehr durch eine Klausur abgeprüft. Wir halten Klausuren in einem Geschichtsstudium ohnehin für ziemlich sinnlos, von daher ist dieser Schritt positiv zu sehen, auch wenn vermutlich für das Schreiben einer Hausarbeit mehr Zeit zu veranschlagen ist als für eine Klausurvorbereitung.

c. Die Vertiefungsmodule der Epochen werden in Zukunft mit Hausarbeiten (4500 Wörter) abgeprüft. Die Mündlichen Prüfungen wandern in die Epochenübergreifenden Module. Auch diese Änderung halten wir für sinnvoll, soll doch gerade das Vertiefende Modul auf das Verfassen eine Bachelorarbeit vorbereiten.

3. Alle Vorlesungen im Bachelorstudiengang Geschichte sind nach der neuen Studien- und Prüfungsordnung teilnahmepflichtig. Abseits von unserem Zweifel an der reinen logistischen Umsetzbarkeit einer Anwesenheitspflicht (lediglich 2 Räume der Universität sind groß genug für die zu erwartenden 400 Studierenden), halten wir diesen Schritt für höchst problematisch. In der Regel sollte ein Geschichtsstudium aus Interesse angefangen werden. Das gleiche gilt in nuce für das Belegen von Veranstaltungen. Wir halten den Zwang zur regelmäßigen Teilnahme für den falschen Weg. Erstens, weil es Leute ausschließt, die möglicherweise wegen Kindern, Arbeit oder anderen Gründen nicht die Zeit haben, an allen Veranstaltungen teilzunehmen. Zweitens, weil es die Entscheidungsfreiheit der Studierenden einschränkt, sich das nötige Überblickswissen, was eine solche Vorlesung vermitteln soll und idealerweise auch tut, auf andere Weisen anzueignen. Wie Herr Esders selbst im Fachbereich sagte, ist das Format Überblicksvorlesung möglicherweise nicht mehr attraktiv für die Studierenden. Doch anstatt sich über alternative Lehrformen Gedanken zu machen, antwortet der Fachbereich mit Zwang. Zugleich wurde die Möglichkeit eingeführt über Test und Sitzungsprotokolle die aktive Teilnahme an den Vorlesungen zu prüfen. Zugleich ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein Anwesenheitszwang die Qualität der Lehre erhöht. Vielmehr erwarten wir, dass die völlige Überfüllung der Räumlichkeiten die Vorlesungen für diejenigen, welche tatsächlich aktiv teilnehmen wollen, deutlich unattraktiver werden lässt. Auch denjenigen, welche die Vorlesungen aufgrund des Zwangs zur Anwesenheit besuchen werden, werden sie höchst wahrscheinlich wenig Mehrwert in ihrem Studium bringen, da eine Kontrolle der geistigen Anwesenheit, bei der erwartbaren Größe der Vorlesungen, unmöglich umsetzbar sein wird und somit keine Aufmerksamkeit erzwungen werden kann. Von den diversen Studierenden mit einer zeitgleichen Pflichtveranstaltung ihres Haupt- oder Nebenfachs wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst anfangen.
Alles in allem sehen wir in der jetzt eingeführten Anwesenheitspflicht und die neuen Regelungen für die aktive Teilnahme für Vorlesungen einen überflüssigen Schritt hin zu einer weiteren Verschulung des Studiums, mit weniger individuellen Freiheit der Gestaltung des Studiums, der sich höchst wahrscheinlich negativ auf das Studienklima und die Qualität der Lehre sowie des Lernens auswirken wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei der Neuen Studien- und Prüfungsordnung um eine Verschlechterung der alten handelt. Die Fortschritte, welche sie macht, werden von den Rückschritten in Richtung einer autoritären Universität und einem Zwang zur Anwesenheit weit überstiegen. Diesem Wunsch nach Anwesenheit der Studierenden werden in dieser Ordnung nicht nur das Studienklima, sondern auch die Qualität der Lehre und des Lernens untergeordnet. Sie stellt damit einen weiteren Schritt in Richtung eines durchorganisierten und arbeitsmarktorientierten Studiums dar, an dessen Ende nicht mehr mündige und vielfältig ausgebildete Absolvent*innen sondern Absolvent*innen, welche sich widerstands- und kritiklos in den Arbeitsmarkt integrieren lassen.

Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken bleiben unsere Forderungen:

● Abschaffung der Regelstudienzeit
● Abschaffung der Anwesenheitspflicht in sämtlichen Veranstaltungen
● Mehr Seminare, um die Überbelegung zu bekämpfen
● Ein freies und selbstbestimmtes, nach Interessen geleitetes Studium

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