Lenzen wiedergewählt – Diskussion unerwünscht

Kurzbericht von Ralf Hoffrogge (Fachschaftsinitiativen/Offene Liste)
Am 21. Februar wurde an der FU Berlin durch den erweiterten akademischen Senat das Präsidium der FU neu gewählt. Wie nicht anders zu erwarten, machte der amtierende Präsident Dieter Lenzen wieder das Rennen und wurde mit 41 Stimmen (von insgesamt 53 Teilnehmenden) wiedergewählt, die vorgeschlagene Vizepräsidentin Ursula Lehmkuhl erhielt ein ähnlich gutes Ergebnis (43 Ja-, 10 Nein- Stimmen). Beide Wahlvorschläge blieben ohne Gegenkandidaten.
Diskussion abgewürgt
Kritische Fragen zu den KandidatInnen oder gar eine Diskussion wurden auf der Sitzung nicht zugelassen, man habe dies alles schon in der letzten Sitzung bei der Nominierung der KandidatInnen besprochen und genug Gelegenheit zu Fragen gehabt. Demensprechend wurde mein Antrag auf eine Diskussion mit überwältigender Mehrheit niedergestimmt. Auch schien es niemanden zu stören, dass bereits im Januar Neuwahlen zum akademischen Senat und zum erweiterten akademischen Senat stattgefunden hatten. Warum der neugewählte Senat sich jedoch bis heute nicht konstituiert hat, und warum nun der alte Senat, im grunde nach der Neuwahl ohne Legitimation durch die Wähler, dem Präsidium eine neue Amtszeit bescheren durfte, ist mir weiterhin unklar.
Allerdings ist eine reale Mehrheitsverschiebung im erweiterten Akademischen Senat ohnehin nicht zu erwarten, da die professoralen Listen mittlerweile kaum noch inhaltliche Positionsunterschiede aufweisen, sondern sich auf ein neoliberales Einheitsprogramm verständigt haben. Da die Professoren jedoch 31 der 61 Mandate auf sich vereinigen und die Studierenden nur zehn, wird sich in diesem Gremium so schnell nichts ändern.
Unsere Rolle als studentische VertreterInnen kann daher kaum über kritische Grundsatzopposition hinausgehen, weshalb wir uns wenigstens beim nächsten TOP, der Nominierung von KandidatInnen für die Ämter der drei weiteren VizepräsidentInnen um eine Debatte bemühten. Denn da es sich hier um eine Nominierung und Vorstellung handelte, konnte diesmal die Diskussion nicht unterbunden werden.
Henry Ford und Antisemitisums – Ausflüchte statt Aufarbeitung
Die drei KandidatInnen waren Monika Schäfer-Korting (Pharmazie), Christine Keitel-Kreidt (Mathematik der Grundschulpädagogik) und Jochen Schiller (Informatik).
Frau Schäfer Körting äußerte sich unter anderem positiv über eine neue „FU-Identität“, deren wesentlicher Bestandteil für sie der in Renovierung befindliche Henry-Ford Bau sei. Daraufhin stellte ich die Nachfrage, ob denn bekannt sei, dass Henry Ford bekennender Antisemit gewesen sei, unter anderem der einzige US-Amerikaner der in Hitlers „Mein Kampf“ positiv zitiert wurde, und ob vielleicht zur Neueröffnung des Gebäudes wenn schon keine Umbenennung, so doch vielleicht eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Historie geplant sei, etwa in Form einer Bronzeplakette o.ä.
Daraufhin schaltete sich Präsident Lenzen persönlich ein und verwies auf die Tatsache, dass der Henry Ford Bau nicht nach jenem Henry Ford, sondern nach seinem Sohn Henry Ford junior benannt worden sei, und damit eine kritische Auseinandersetzung überflüssig werde.
Daß jedoch der Henry Ford Bau an der FU eben nicht „Henry Ford Junior Bau“ heißt, und daß die Ford-Foundation nach dem Tod von Henry Ford selbst im Jahre 1947 durch dessen umfangreichen Nachlass erst in der Lage war, sich weltweit in einem solchen Maße zu engagieren und etwa 1952 die Bauvorhaben an der FU zu finanzieren, zeigt dass eine Verbindung zum Firmengründer Ford hier schlichtweg nicht geleugnet werden kann.
Aber von einem Präsidenten, der in Immatrikulationsreden selbst die Kaiser-Wilhelm Institute trotz ihrer klaren Auftragsforschung für den Nationalsozialismus als Vorläufer der FU und teil der Tradition einer „Wissenschaftslandschaft Dahlem“ reklamiert, kann wohl antifaschistische Aufarbeitung kaum erwartet werden.
Zwangszuweisung bei Modulangeboten geht weiter
Nach diesem Exkurs sprach Frau Keitel-Kreidt und bemühte sich als einzige Rednerin zumindest ein wenig auf studentische Interessen einzugehen, etwa indem sie studentiche Evaluationen der Lehramtsstudiengänge forderte. Als sie jedoch von mir auf das Problem der Zwangszuweisung von Nebenfächern auch in Lehramtsstudiengängen angesprochen wurde, und auch konkret gefragt wurde, ob sie gewillt sei die Wahlfreiheit des Studiums wiederherzustellen, kam keine klare Aussage. Es habe ja auch schon vorher „Parkstudium“ und unerfüllte Nebenfachwünsche gegeben, nur sei das eben heute sichtbarer, die Zwangszuweisung von Nebenfächern sei eben eine formale, aus der Not geborene Regel, aber keine Lösung. Außerdem würde durch die Berücksichtigung von Wartesemestern sich die Lage bei den Nebenfachwahlen demnächst entspannen.
Konkrete Zusagen oder auch nur Absichtserklärungen blieben auch auf erneutes Nachhaken aus. Also werden auch in Zukunft nicht nur Studienanfänger in Nebenfächer (neudeutsch: Modulangebote) gezwungen, die ihnen nicht im mindesten zusagen. Es werden sich zudem Lehramtsstudis in Zukunft gezwungen sehen, Fächer zu unterrichten, zu denen sie keinerlei inneren Bezug haben. Dazu fällt mir nun wirklich nichts mehr ein.
Jochen Schillers Vortrag bestach vor allem durch die Nennung beeindruckender Fördersummen („100.000 Euro durch einen Anruf“) und Kooperationen mit der Industrie. Aber keine Angst, man lehne genauso viele Kooperationen ab wie man annehme und lasse sich in keinem Fall zur verlängerten Werkbank der Unternehmen machen. Nun denn, angesichts der weiterschrumpfenden staatlichen Mittel hilft da wohl nur der Glaube, dass auch in Zukunft derartige Tapferkeit der Versuchung des Mammons widerstehen kann.
Alle drei KandidatInnen wurden mit großer Mehrheit nominiert und werden voraussichtlich in der nächsten Sitzung gewählt werden.
Als Fazit bleibt: Die Posten sind abgesprochen, der Kurs auf die unternehmerfreundliche Dienstleistungshochschule ist gesetzt, studentische Nachfragen sind unerwünscht, vor allem nicht, wenn sie das Image der FU beeinträchtigen könnten.