Eignungstest vor Studienbeginn?

Ein Idiotentest vor dem Studium? Wenn es nach unserem Universitätspräsidenten Dieter Lenzen geht, ist das bald an der FU Realität. Schon im Mai 2007 soll laut einer Meldung der „Berliner Morgenpost“ ein Pilotprojekt gestartet werden, bei dem StudienbewerberInnen für das Fach Psychologie im Vorfeld auf ihre „Studierfähigkeit“ überprüft werden.
Wer nicht „studierfähig ist“, wird demgemäß wohl keinen Studienplatz bekommen – nach NC und Auswahlgesprächen die nächste Hürde, um aus der sogenannten „Hochschulzugangsberechtigung“ Abitur ein wertloses Papier zu machen.
Erziehungswissenschaftler Lenzen stellt sich den Test so vor:

„Abiturienten müssen dafür an der FU zwei bis drei Stunden lang an einem Computer Fragen beantworten. Untersucht würden dabei unter anderem die Intelligenz und Problemlösungsfähigkeit der Schüler, sagte Lenzen. Es würden aber auch allgemeine Fachfragen gestellt, um das bereits vorhandene individuelle Wissen über Psychologie besser einschätzen zu können“

Gibt es Intelligenz auf diesem Planeten? Lenzen findet´s raus.
Ein Intelligenztest also soll es sein. Dabei stört niemanden die Tatsache, dass bis heute innerhalb der Wissensdisziplin Psychologie keine unumstrittene Definition für „Intelligenz“ existiert, mal abgesehen von dem Zirkelschluß dass „Intelligenz das ist, was Intelligenztests messen“.
Intelligenztests wurden im ersten Weltkrieg zum erstmals massenhaft eingesetzt, um innerhalb der US-Armee gutes von schlechtem Menschenmaterial zu unterscheiden, sie bescheinigten bis in die 60er Jahre hinein der schwarzen Bevölkerung routinemäßig eine niedere geistige Qualität. Dennoch (oder gerade deswegen?) feierten sie ihren Siegeszug und sind ein fester Bestanddteil jeder Studienbewerbung in den USA. Jedoch auch heute noch klagen Kritiker immer wieder, dass die bekannten Aufnahmetests GRE und SAT vor allem im sprachlichen Teil letztlich den Wortschatz und das Vokabular weißer Akademikerfamilien an der US-Ostküste als allein „richtiges“ und „intelligentes“ Sprachverhalten qualifizieren. Wer diesem Millieu nicht vom Säuglingsalter an ausgesetzt ist, muß eben Abstriche beim Testergebnis in Kauf nehmen…
Auch Lenzens Tests sollen sich an „US-Vorbildern“ orientieren, ohne dass in den Vorschlägen irgendwie auf die Grundsatzkritik an Testritis und Testindustrie eingegangen wird. Wahrscheinlich strebt Lenzen für die BRD das an, was die Princeton University für die USA ist: Alleinvermarkter und Monopolist des copyrightgeschützten und teuren Testverfahrens GRE. Denn bezahlen muss der Studierwillige seine Tests in den USA natürlich selbst…
multifarious?
Der Verfasser dieser Zeilen hatte einmal das zweifelhafte Vergnügen, sich diesem sogenannten Graduate Record Exam (GRE) zu versuchen. Nach totaler Panikattacke im mathematischen Teil wurden sämtliche dortigen Multiple-Choice Fragen durch schlichtes Raten gelöst, dennoch war dessen Ergebnis noch besser als das im sprachlichen Teil – denn das korrekte Antonym für Worte wie „multifarious“ wollte dem Probanden trotz aller Mühe innerhalb der knappen Testzeit nicht einfallen. Leistung pro Zeit wird hier gemessen, nichts anderes.
Genommen wurde der Autor übrigens dennoch – nicht wegen, sondern trotz der Testergebnisse. Auf das legen die wirklichen „Eliteuniversitäten“ nämlich gar nicht so viel Wert, weil sie mehr auf Arbeitsproben und Empfehlungsschreiben achten. Anscheinend muss die möchtegern Elite-Uni FU erstmal alle Kinderkrankheiten des US-Systems selbst durchmachen, anstatt sich dessen Stärken anzueignen, wie etwa eine vielerorts recht intensive Betreuung der Studierenden durch die Lehrenden.
Tutorien statt Tests!
Aber für gute Betreuung ist kein Geld da, also soll vorselektiert werden. Dabei gab es früher eine recht preisgünstige Lösung, gerade im Fach Psychologie: studentische und selbstverwaltete Tutorien brachten in den 90ern den Erstsemestern das Fachwissen näher, bauten Hemmungen ab und schufen angstfreie Räume, in denen der Einstieg ins Universitätsleben erleichtert wurde.
Doch diese Sorte 400 Euro Jobs wurde natürlich im Hauen und Stechen um die Geldmittel als erstes gekürzt. Die menschlichere Alternative zum Computertest wären sie allemal.
Zum Originalbericht der Morgenpost geht es hier, einen weiteren Kommentar zu Lenzens Bildungsutopien findet ihr hier.