Am 27. Januar erinnern wir an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und gedenken den Menschen, welche durch die Nazis umgebracht wurden. Unsere Solidarität gilt den Opfern des Faschismus und seiner menschenverachtenden Ideologie. Uns erreichte dieser Tage ein Artikel von kontakte-kontakty e.V., dem Verein mit dem wir vor knapp 2 Monaten die Ausstellung „Russenlager“und Zwangsarbeit – Bilder und Erinnerungen sowjetischer Kriegsgefangener ausgerichtet haben. Diesen möchten wir an dieser Stelle dokumentieren:
Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
am 27. Januar 2013
Am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz wird aller NS-Opfer gedacht, auch der 900 als erste in Auschwitz mit Giftgas ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen. Sie zählen neben den europäischen Juden zur größten NS-Opfergruppe. In den ersten 10 Monaten des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion starben zwei Drittel der sowjetischen Kriegsgefangenen in Lagern der Wehrmacht. Diese „Russenlager“ waren Sterbelager. Die Gefangenen verhungerten, starben wegen mangelnder Hygiene an Seuchen, wurden ermordet. Trotz der Notwendigkeit, als Zwangsarbeiter verwertete sowjetische Kriegsgefangen zu ernähren, dauerte das Massensterben bis Kriegsende an. Von 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen kamen bis zu 3.3 Millionen zu Tode. Sie waren Opfer rassenideologisch motivierter NS-Gewaltherrschaft.
Sie hatten die härteste Zwangsarbeit zu verrichten und gelten trotzdem der Bundesrepublik Deutschland als „nicht leistungsberechtigt“. Nur wenige Überlebende, die in KZ-Haft waren, erhielten die Zwangsarbeiterentschädigung. Als Begründung galt dem Bundesverfassungsgericht „die besondere NS-ideologisch motivierten Diskriminierungen und Misshandlungen“ und weil „die Haft in einem Konzentrationslager nicht als allgemeines Kriegsschicksal angesehen werden kann.“ In einer offiziellen Liste von 3800 anderen Haftstätten, die der KZ-Haft vergleichbar sind, hätten auch die „Russenlager“ aufgeführt werden müssen. Die Haftbedingungen waren zeitweise grausamer als in Konzentrationslagern. Warum wurde dies ignoriert? Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag könnte jedem Politiker nahe bringen, dass dort die Gefangenen nicht unter „allgemeinem Kriegsschicksal“ litten. Sie wurden unter dem Diktat der NS-Ideologen als „Untermenschen“ misshandelt.
Warum verweigert die Bundesregierung bis heute den wenigen noch lebenden ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen eine humanitäre Geste der Anerkennung dieses Unrechts?
Vor den ehemaligen „Russenlagern“ liegen Hunderttausende in anonymen Massengräbern. Ihre Namen werden ermittelt durch deutsch-russische Archivsuche. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, dem Gesetz nach zu handeln: Die Grabstätten müssen in würdiger Form mit den Namen der Toten gekennzeichnet werden!
Ehemalige sowjetische Kriegsgefangene erinnern sich an Gesten der Solidarität und des Mitleids. Menschlichkeit gab es selbst in Zeiten des Terrors. An ein heimlich zugestecktes Stück Brot denken sie bis zum Lebensende mit Dankbarkeit. Unserem Bürger-Engagement verdanken bisher über 7000 ehemalige sowjetische Kriegsgefangene Geldspenden, die als Geste der Anerkennung von Unrecht gereicht wurden. Schülergruppen gestalten aus Tontafeln an Massengräbern Namensschilder. Der Bundesregierung werden also Beispiele zum Handeln geboten. Das Gedenken der Toten und die Verantwortung für die Überlebenden des Naziterrors sind unteilbar.
Die Bundesregierung wird ermahnt, ehemalige sowjetische Kriegsgefangene nicht zu missachten und eine Geste der Anerkennung zu beschließen!
Eberhard Radczuweit
freitagsbriefe.de www.kontakte-kontakty.de