Eigentlich wollte die FSI Geschichte im Rahmen der beiden für Montag, den 2. Februar, angekündigten Vorträge „State and Conflict in Colombia“ und „Different Visions of the Construction of the Venezuelan Nation“ die Möglichkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit zwei spannenden und politisch hochaktuellen Kapiteln lateinamerikanischer Geschichte bieten. Nicht nur die Thematik an sich machte dabei den Reiz der geplanten Veranstaltung aus, sondern auch die spezifische nicht-europäische Perspektive der beiden Referent_innen. Doch die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen der Europäischen Union machten uns einen Strich durch die Rechnung. Maribel Avellaneda Nievas, die Referentin zum Thema Gewalt in Kolumbien, die gemeinsam mit dem zweiten Referenten extra aus Spanien anreisen wollte, wurde direkt am Flughafen Schönefeld festgenommen und nach Spanien „zurückgeschoben“, wie es im Verwaltungsdeutschen heißt.
Die kolumbianische Staatsangehörige, die im spanischen Castellón de la Plata Lateinamerikanischen Geschichte im Masterstudiengang studiert, wurde letzen Donnerstag im Rahmen einer stichprobenartigen Überprüfung festgenommen und am Freitag Morgen nach Spanien zurückgeschoben. Die deutschen Grenzbeamt_innen hatten ihr Studienvisum nicht für ausreichend erklärt, um in die BRD einzureisen. Es berechtige sie nur zur einmaligen Einreise in einen Schengenstaat und dies sei mit der Einreise nach Spanien bereits erfolgt. Sie habe also versucht „illegal“ nach Deutschland einzureisen und somit eine Straftat begangen. Deshalb müsse sie die Bundesrepublik umgehend wieder verlassen.
Formaljuristisch mögen die beschriebenen Vorgänge dem offiziellen Einreiseverfahren entsprechen. Die Studentin hatte sich jedoch im Vorfeld bei der kolumbianischen Botschaft in Spanien und den Beamt_innen der spanischen Grenzpolizei erkundigt, ob sie mit ihrem Visum nach Deutschland reisen könne und stets die Antwort erhalten, dass dies problemlos möglich wäre, da auf Grundlage des Schengenabkommens keinerlei Kontrollen stattfinden würden und sie sich frei bewegen könne. Als Weiße hätte sie wohl auch nicht mit Problemen zu rechnen gehabt. Bei den stichprobenartigen Kontrollen am deutschen Flughafen jedoch wurden zielgerichtet gerade sie, ihr venezuelanischer Begleiter und ein weiterer Mann mit schwarzer Hautfarbe ausgewählt. Die Beamt_innen stellten daraufhin fest, dass ihr spezielles Visum trotz gegenteiliger Auskünfte der spanischen Behörden sie nicht zu einer Einreise berechtige. Nach einer Nacht bürokratischer Formalitäten, rassistischer Bemerkungen und ohne eingehender Aufklärung über ihre Rechte wurde sie schließlich am Freitag, dem 30. Januar gezwungen, nach Spanien zurückfliegen. Die Kosten für eine solche Ab- bzw. Zurückschiebung sind dabei selbstverständlich von den Betroffenen zu zahlen.
Nach den dramatischen Ereignissen seiner Ankunft in Deutschland kehrte auch der zweite Referent unverzüglich nach Spanien zurück.
Bereits vor einigen Monaten hatte ein ähnlicher Fall für Aufsehen gesorgt. Damals war brasilianischen Staatsangehörigen, die in Lissabon studierten, bei dem Versuch, eine touristische Reise nach Deutschland zu unternehmen, die Einreise verweigert worden. Statt EU-Reisefreiheit im Rahmen des Schengenabkommens zu genießen, wurden auch sie zurückgeschoben.
Die FSI Geschichte möchte den geschilderten Sachverhalt zum Anlasse nehmen, in einer Informations- und Diskussionsveranstaltung den vorliegenden Fall etwas detailierter darzustellen und davon ausgehend die Frage nach Notwendigkeit und Bedeutung nationaler Grenzen im Allgemeinen zu stellen – denn auch wenn Grenzpolizist_innen freundlicher wären, Asyl- und Aufenthaltsbestimmungen leichter zu verstehen und weniger bürokratisch wären und niemensch Fehlinformationen verbreiten würde, bliebe dennoch das absurde Konzept einer sämtliche Lebenschancen bestimmenden, konstruierten nationalstaatlichen Trennlinie zwischen Menschen, die schlicht und ergreifend zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten als Kinder verschiedener Eltern geboren wurden.
INFO- und DISKUSSIONSVERANSTALTUNG am Mo., dem 02.02. um 12 Uhr
Hs B, FMI (Koserstr. 20)