Geschichte wird plattgemacht…

Abriss des Jugendzentrums „Ungdomshuset“
Gestern fuhren die Bagger vor: vier Tage nach der Räumung des Kopenhagener alternaviven Zentrums „Ungdomshuset“ begannen am gestrigen morgen die Abrissarbeiten. Das Ungdomshuset – zu deutsch „Jugendhaus“ wurde 1897 als „Volkshaus“ errichtet und diente als Zentrum und Versammlungsort der dänischen Arbeiterbewegung. Nach längerer fremdnutzung wurde es im Jahre 1982 besetzt und dann von der Stadt Kopenhagen der linken Jugendbewegung als Treffpunkt überlassen.
Das Agreement wurde jedoch einseitig aufgekündigt, die Stadt veräußerte das Haus an eine christliche Sekte, die zunächst die Räumung und nun auch den Abriss durchsetzte. Ein Ersatzgebäude ist nicht in Sicht.
Protestdemo am 10. März
Am kommenden Samstag, dem 10 März findet in Berlin eine Protest- und Solidaritätsdemo gegen den Abriss statt. Treffpunkt ist, bisher geplant, um 18 Uhr am Hackeschen Markt. Bei Verlegung informiert das Terminportal „Stressfaktor“ im Internet. Eine Demo, die sich lohnt, meinen wir.
Abriss eines Historischen Ortes der Frauenbewegung
Denn mit dem Abriss fällt nicht nur ein europaweit bekannter Treffpunkt und Vernetzungsort der alternativen Jugendbewegung fort, sondern es wurde auch ein Denkmal der Frauenbewegung geschliffen. Genau diesem Gebäude in der Straße „Jagtvej 69“ tagte nämlich im August 1910 eine die „Zweite internationale Konferenz sozialistischer Frauen“, wo damals auf Antrag der deutschen Sozialistin Clara Zetkin erstmals die Begehung eines jährlichen Internationalen Weltfrauentages beschlossen wurde. Dieser Weltfrauentag, anfangs noch mit wechselnden Daten, später auf den 8. März festgelegt, wird bis heute von Frauen und Männern auf der ganzen Welt als Kampftag für Frauenrechte begangen.
Gedenken an Clara Zetkin auch in Berlin abgewickelt
Um so brutaler erscheint der Abriss des heutigen Ungdomshuset, drei Tage vor dem Weltfrauentag, eine Kampfansage nicht nur an die linke Szene der Stadt, sondern auch ein Angriff auf die Traditionen der Frauenbewegung. Aber nicht nur in Dänemark hat man wenig Repekt vor Bewegungsgeschichte: auch in Berlin wurde ende 1995 die Clara-Zetkin-Straße in Mitte umbenannt in Dorotheenstraße, unter anderem auf Betreiben des HU-Chefhistorikers Heinrich August Winkler. Eine preußische Kurfürstin paßte wohl nicht nur ihm besser ins Stadtbild des neuen Berlin als eine sozialistische Frauenrechtlerin.
Aktionen zum Frauentag: 8. März um 14 Uhr auf dem Hermannplatz

Nicht nur gegen den Abriss des Ungdomshuset, sondern auch zum Frauentag selbst finden selbstverständlich Aktionen in Belin statt, zum Beispiel eine Demo am 8. März um 14 Uhr am Hermannplatz in Neukölln, mehr dazu ebenfalls im „Stressfaktor“.
Geschichtsbewusste finden übrigens das Originalprogramm der Frauenkonferenz von 1910 mittlerweile auch in Quellensammlungen im Internet, zum beispiel hier. Zetkins Antrag zum Frauentag findet sich auf Seite drei.

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