Das autokratische Selbstverständnis des Präsidiums der sogenannten Freien Universität schon seit längerem für Unmut sorgt ist ein Allgemeinplatz. Wir dokumentieren an dieser Stelle ein neues Possenspiel.
Vorab eine Erklärung für Leute, die nicht an der FU studieren: Jedem der immatrikulierten FU-Studierenden wird empfohlen, einen Zedat-Mail-Account zu einzurichten. Er ist u.a. nötig, um die Rechner-Pools der Uni nutzen zu können. Zedat steht für „Zentraleinrichtung für Datenverarbeitung“ und ist eine Einrichtung der FU. Die BA-Studis müssen de-facto sogar einen solchen Account für ihr Studium anlegen, um sich im Campusmanagment anzumelden.
Offensichtlich scheint der Präsident die Möglichkeit zu besitzen, sämtlichen Postfachinhabern Mails zuzuschicken. Studentische Initiativen, wie zuletzt die Umfrage-Gruppe „Studierbarkeit an der FU Berlin“ hatten vergeblich darum gebeten, die Studierenden via Zedat-Adressen über ihre Umfrage zu informieren (Vgl. dazu Berichte auf „FU-Watch“ und dem „Freie Bildung“ Blog sowie natürlich auch auf dem FSI-Geschichte Blog).
Stattdessen bekamen alle @zedat.fu-berlin.de – Adressen (ob auch Professoren zum Tanzbeinschwingen aufgefordert wurden entzieht sich unserer Kenntnis) am 19. Juli 2007 eine Werbemail, die zum Erlernen einer Tango-Art („genauer der Estilo Milonguero“) aufforderte. Versehen war sie mit dem Vermerk „Die Zustellung dieser E-Mail erfolgte im Auftrag des Präsidenten der Freien Universität Berlin.“
Bereits am 11. Juni diesen Jahres erreichte die Zwangsaccount-Inhaber eine Werbemail für eine Beachvolleyball-Gruppe, die explizit das Corporate Identity der kommenden Elite-Uni […] stärken sollte. Der oben genannte Vermerk fehlt, dafür ist die Absende-Adresse präsidialer Herkunft.
So weit, so schlecht. Von dieser Informationspolitik irritiert fragte ein Student der Geschichte am 20. Juli nach, wie den eine solche Gewichtung zustande käme. Denn das studentische Initiativen zur Evaluation der Studierbarkeit ausgebremst werden, dafür Nebensächlichkeiten wie besagter Tangokurs alle Studierenden belästigen dürfen, ist nicht unbedingt einsichtig.
Einen Monat später: Nach drei (!) Mails an das Präsidium im Abstand von je 8-10 Tagen ohne auch nur eine Empfangsbestätigung erhalten zu erhaben, trägt die Maßnahme, bei der 3.Mail im CC-Feld die Datenschutzbeauftragte eingesetzt zu haben, offensichtlich Früchte: Am 21. August antwortet das Präsidiums auf die detaillierten Anfragen in Person des Rechtsamtes. Die Antwort spricht für sich und jeder Bemühung Hohn, Studierende als Angehörige der Universität ernst zu nehmen.
Sie sei hier in voller Länge zitiert:
„wir bitten zunächst um Nachsicht für die verzögerte Beantwortung Ihrer Mails vom 20. Juli, 29. Juli und 09. August 2007, die dem Rechtsamt zugeleitet wurden.
Es trifft zu, dass im Auftrag des Präsidenten gelegentlich E-Mails an die Studierenden der FU Berlin versandt werden. Jedoch handelt es sich dabei um Ausnahmefälle und diese Praxis, derartige E-Mails nur in besonderen Fällen zu versenden, soll auch beibehalten werden. Daher kann nicht jedem Wunsch, E-Mails an sämtliche Studierende zu versenden, nachgekommen werden.“
Alles klar? Eine Beachvolleyballgruppe und ein Tango-Kurs als „besondere Fälle“ und eine studentische Umfragegruppe als lästiger Wunsch. Welcome to the Free University!
PS: Wir dokumentieren hier den kompletten Mailwechsel in chronologischer Reihenfolge als PDF. Der Name des Studierenden wurde ersetzt. Das ganze ist eigentlich selbsterklärend, sollte es dennoch nachfragen geben, ist die Person über den Umweg unserer Mailadresse zu erreichen.
3 Gedanken zu „Ein ganz besonderer Tango – Das FU-Präsidium und die Studis“