Gestern abend war im RBB eine Dokumentation zum 60. Jahrestag der FU-Gründung zu sehen. Wer diese verpasst hat, muss sich allerdings nicht grämen. Die Stoßrichtung der Doku war allzu vorhersehbar und völlig in den Schemata des Kalten Krieges verhaftet. Der notwendigen Kritik an der Stalinisierung der HU und des Bildungswesens in der SBZ wurde breiter Raum gewährt, einen kritischen Blick auf die FU selbst suchte man in der Doku jedoch vergeblich. 1968 kam vor, aber eher als Negativfolie. Unter dem Titel „Gute 48er, böse 68er“ resümiert das studentische Blog FU-Watch deshalb:
Denn auf die demokratischen Defizite, die auch die neue FU nach ihrer Gründung aufwies und gegen die sich der Protest 67/68 auch richtete, gehen die Autoren nicht ein. Weder die Einschränkung der Redefreiheit an der FU (Kuby, Krippendorff, etc.) noch die Erfolge der Bewegung hinsichtlich von Mitbestimmungsrechten innerhalb der Universität werden thematisiert. Was bleibt ist das Bild des wirren 68ers, der dreist und verblendet all die Errungenschaften der 48er in Frage stellt.
Der Gipfel des Ganzen: Eine unreflektierte, rein positive Darstellung von Lenzens berüchtigtem “Freiheitsdenkmal” als Erinnerung an die in die SU verschleppten FU-Studierenden. Dass es um dieses Denkmal eine breite Kontroverse gab, dass sowohl das Denkmal als solches (die “Second Hand” Herkunft der Skulptur), seine Aufstellung (Lenzens fragwürdiger Alleingang als Musterbeispiel demokratischer Defizite an der FU in der Gegenwart) als auch der Hintergrund der geehrten Studierenden (der KgU-Verdacht) fraglich sind, bleibt dabei gänzlich unerwähnt.
Von einem KGU-Verdacht zu sprechen, wie FU-Watch es macht, ist hier noch sehr vorsichtig. In der Tat gehörten laut offiziellen Informationen der FU sämtliche zehn in die Sowjetunion verschleppten und dort ermordeten Studierenden der sogenannten „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ an, die von westlichen Geheimdiensten finanziert wurde und einen rechten bis rechtsextremen Antikommunismus propagierte. Mindestens einer der zehn „Freiheitskämpfer“ war NSDAP-Mitglied, und das „Freiheitsdenkmal“ selbst wurde ist ursprünglich als themenlose Bankenkunst für den Vorplatz des Hauptbahnhofes entworfen- es bekam erst nachträglich von FU-Präsident Lenzen eine Mahnmals-Funktion aufgedrückt.
Bei aller notwendigen Kritik am Stalinismus und seinen Gewaltexzessen – ohne diesen Kontext und ohne die geringste Bereitschaft, Fehlentwicklungen auch an der FU und in Westberlin zu benennen, stellt dieser Film eine Manipulation dar, nichts anderes. Er folgt damit der fatalen Geschichtspolitik der FU selbst, die durch selektive Verdrängung ein positives und vermarktbares FU-Image konstruieren möchte. Jede Kritik ist dabei unerwünscht – etwa die Kritik der Studierenden an ehemaligen Nazis, die in den 40ern und 50ern auch an einer „Freien Universität“ Profs werden konnten. Dieser Sachverhalt wurde in der Doku mit einem Nebensatz abgehandelt.
Kein Wunder, wurde die Sendung doch maßgeblich geprägt von Mitgliedern des Forschungsverbundes SED-Staat, bekannt für einen ideologischen Antikommunismus von rechtsaußen. Am Forschungsverbund arbeitet unter anderem der Ex-Linke Bernd Rabehl, der 1998 in einer Rede vor der Münchener Burschenschaft „Danubia“ die Revolte von1968 als „Nationale Revolution“ umdeutete und vor einer Überfremdung Deutschlands warnte.
Siegward Lönnendonker, ein weiterer nach rechts gewendeter Alt-68er der in der Doku reichlich zu Wort kam, hat sich von Rabehls Rassismus niemals distanziert, sondern im Gegenteil gemeinsam mit ihm Bücher verfaßt und an einer Umdeutung der FU-Geschichte und der 68er Revolte von rechts gearbeitet. Ein ergebnis dieser langsamen, aber recht erfolgreichen Geschichtskampagne ist die gestern gesehene Doku.
Daß der RBB diesem Sumpf ein Forum ohne Gegenstimmen bietet, ist mehr als peinlich. Insbesondere angesichts der umfangreichen Diskussionen um das sogenannte Freiheitsdenkmal in der Berliner Lokalpresse, aber auch an der FU selbst kann man das Schweigen der Dokumentation über die hier aufgeworfenen unbequemen Fragen zur Geschichte und Gegenwart der FU nur als bewußte Auslassung in manipulativer Absicht werten. Mit Journalismus hat das nichts mehr zu tun. Deshalb sei noch einmal auf die „Gegendarstellungen“ des AStA FU verwiesen, eine Veröffentlichung in der die Geschichte der FU und die Vergangenheitspolitik des Präsidiums einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.