Antisemitismusstreit um Henry-Ford-Bau

Am Montag, 16.4., wird an der FU mit großem Rummel der Henry-Ford-Bau wiedereröffnet. Eine Debatte über eine Umbenennung des Gebäudes ist dabei nicht geplant, obwohl der Namensgeber Henry Ford wegen seines Antisemitismus eine mehr als umstrittene Persönlichkeit ist. Das FU Präsidium vertritt die Position, der Bau sei nach Henry Ford II, dem Enkel des umstrittenen Industriellen, benannt, eine Umbenennung daher nicht notwendig. Diese Version findet sich auch in der Presserklärung vom 12. April, in dem die Neueröffnung angekündigt wird:

…Der Henry-Ford-Bau wurde nach seinem Stifter benannt: Henry Ford II., den auch gebildete Zeitgenossen gerne mit seinem antisemitisch gesonnenen Großvater Henry Ford I. verwechseln…

Wie heute durch einen Artikel in der Zeitung „JungeWelt“ öffentlich wurde, stimmt diese Behauptung so nicht:

…in den Akten des Akademischen Senats findet sich nichts, was die Behauptung des Präsidiums stützt. Der Senatsbeschluß vom 3. März 1954 besagt wörtlich, »daß das Gebäude des Auditorium Maximum im ganzen den Namen »Henry-Ford-Bau« tragen soll«. Ein Henry Ford junior wird nicht erwähnt.

Keine Beweise für Version des Präsidiums
Henry Ford II. hatte zwar die Millionenspende an die FU zum Bau des Gebäudes in die Wege geleitet, war dazu jedoch nur durch das Geld seines Großvaters in der Lage, der 1947 der Ford-Foundation einen Großteil seines Vermögens hinterließ. Auch in der zeitgenössischen Presse finden sich keinerlei Hinweise auf Henry Ford II. Die meisten Artikel sprachen seinerzeit lediglich vom „neuen Hauptgebäude der FU“ oder vom „neuen Auditorium Maximum“, denn unter diesen Titeln war das Bauvorhaben seit Grundsteinlegung 1952 bekannt – bis der AS recht kurzfristig wenige Wochen vor der Eröffnung über die Namensgebung entschied.
Auch auf der Eröffnungsfeier selbst am 19. Juni 1954 wurde auf Henry Ford II. kein Bezug genommen, in der 1955 veröffentlichten Dokumentation über die seinerzeit gehaltenen Redebeiträge verwies der FU-Rektor lediglich auf den AS-Beschluß zur Benennung, ohne weiter auf den Namenspatron einzugehen.
Solange also keine Belege für die Version des Präsidiums vorliegen, ist davon auszugehen, daß der Henry-Ford-Bau nach eben jenem Antisemiten Henry Ford I. benannt ist – ansonsten müßte das Gebäude logischerweise auch „Henry Ford II. Bau“ oder „Henry Ford Junior Bau“ heißen. Was nicht der Fall ist.
Henry Ford und der Antisemitismus
Henry Ford I. jedoch erscheint als Namensgeber eines Universitätsgebäudes nicht tragbar. Unter seinem Namen erschienen in den 20er Jahren eine ganze Reihe antisemitischer Artikel, die später in dem Buch „The International Jew“ zusammengefasst wurden und noch heute unter Judenhassern zirkulieren. Auch Nachdrucke der „Protokolle der Weisen von Zion“, der bekanntesten antisemitischen Weltverschwörungstheorie, wurden von Ford gesponsort und popularisiert. 1938 erhielt Henry Ford zum 75. Geburtstag von den Nazis das „Großkreuz des deutschen Adlerordens“, eine von Hitler selbst gestiftete Auszeichung für Ausländer, die sich um das Deutsche Reich besonders verdient gemacht hatten.
Titelblatt der deutschen Ausgabe von "The International Jew"
Titelblatt der deutschen Ausgabe von „The International Jew“.
Debatte um Umbenennung
Aus diesen Gründen forderten studentische KritikerInnen in den letzten Jahren immer wieder eine Umbenennung des Gebäudes – einer Forderung, der die FU Leitung wohl durch ihre bisher nicht belegte Schutzbehauptung ausweichen will.
Doch selbst wenn es dafür Beweise geben sollte: bezahlt wurde der Bau mit den Geldern des alten Ford, und auch Ford der zweite wurde schließlich nach seinem Großvater benannt – die Problematik bliebe im Grunde bestehen. Dabei gäbe es genug antifaschistische Persönlichkeiten und WissenschaftlerInnen, deren Namen für ein Universitätsgebäude bei weitem angemessener wären als der eines Autoindustriellen, sei es nun Henry Ford Junior oder Senior.