Austrittswelle aus dem fzs

Vier hessische Hochschulen haben nach den Kontroversen auf der 32. Mitgliederversammlung des „Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften“ mittlerweile geschlossen ihren Austritt aus dem Verband erklärt. Der Austritt ist die Konsequenz von länger bestehenden Grundsatzdiskussionen im Dachverband, die bis heute nicht konstruktiv gelöst werden konnten. Ein Rechtsruck bei der letzten Wahl zum fzs-Vorstand gab nun den Auslöser für die Austrittswelle. Unser Blog dokumentiert die Erklärung der Hochschulen:
Austrittserklärung
Die hier unterzeichnenden Studierendenschaften waren in der Vergangenheit
Mitglied des fzs, weil sie der Meinung waren und sind, dass ein bundesweiter
politischer Akteur studentischer Interessensvertretung sinnvoll und notwendig ist.
Allerdings wird der fzs unserer Meinung nach bereits seit längerem seiner
Funktion als politischer Akteur nicht mehr gerecht und hat sich gegenüber all
unseren Versuchen und Anstrengungen der Veränderung als verständnisresistent
erwiesen und unfähig, eigene Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen. Wir treten
deshalb aus den hier weiter aufgeführten Gründen aus dem fzs aus.
Begründung
Die Rahmenbedingungen, welche die Arbeit des fzs bestimmen, haben sich in
mehrfacher Hinsicht inzwischen gravierend verändert. Zum einen ist es angesichts
der Konsequenzen aktueller Hochschulumstrukturierung nötig, eine
Überlebensstrategie für studentische Interessensvertretungen allgemein zu
entwickeln, die durch allgemeine Studiengebühren, Bachelor und Master sowie
massive Angriffe auf ihre Institutionen mit dem Rücken zur Wand stehen.
Zum anderen haben diese veränderten Rahmenbedingungen ebenso den Wegfall
kritisch-reflexiver Milieus zur Folge gehabt. Politische
Meinungsbildungsprozesse in einem emanzipatorisch-kritischen Sinne finden in
Seminaren der Hochschulen zunehmend weniger bis nicht mehr statt, noch können
sie von den lokalen Studischaften geleistet bzw. aufgefangen werden. Folge ist
die zunehmende Übernahme der herrschenden neoliberalen Ideologiekonzepte auch
und insbesondere in die eigene Argumentation und Praxis, so dass beispielsweise
eine Zusammenarbeit mit der Hochschulrektorenkonferenz, die alles andere als
studierendenfreundliche Politik betreibt, für mehr und mehr Aktive im fzs
plötzlich vorstellbar wird, ohne das als Bruch im politischen Handeln zu empfinden.
Dabei geht es nicht um die oft angesprochene Kontroverse zwischen Dachverband
und Strömungsverband, also um die vom fzs vertretenen Inhalte – diese sind immer
noch ohne Frage progressiv ausgerichtet und wohlgemerkt links von der Mitte
angesiedelt -, sondern um die Bestimmung einer politischen Praxis des fzs und
seiner Rolle in der Einwirkung auf Entscheidungsprozesse.
Die Entdemokratisierung der Hochschulen schreitet beispielsweise mit jedem neuen
Hochschulgesetz weiter voran. 2008 wird voraussichtlich das
Hochschulrahmengesetz gestrichen werden, was die Verfasste Studierendenschaft
und die demokratische Hochschule noch viel stärker als bisher zur Disposition
stellen wird. Aufgabe des fzs ist es in diesem Zusammenhang, diese Entwicklung
nicht nur kritisch zu begleiten, sondern diese mit BündnispartnerInnen wie
Gewerkschaften oder SchülerInnenvertretungen zustoppen und dabei das Recht sich
zu allgemeinpolitischen Themen zu äußern offensiv verteidigt.
Auch in der Frage der Einführung allgemeiner Studiengebühren habe wir ein klares
Bekenntnis gegen die Verteilung von Studiengebühren vermisst und kritisieren das
der fzs die Beschäftigung mit dem Thema fast ausschließlich auf das
Aktionsbündnis gegen Studiengebühren ausgelagert. Diesem wurde grotesker Weise
dann im Laufe des Jahres 2007 allerdings gleichzeitig mit der Einstellung der
finanziellen Mittel gedroht und somit offen seine Existenz in Frage gestellt.
Unser Anspruch an den fzs ist, das er pointiert auf Entscheidungsprozesse
einwirkt und studentische Interessensvertretung für diejenigen ist, für die in
Länderparlamenten keine Politik gemacht wird. Jenseits dessen müsste der fzs
Raum geben, um politische Meinungsbildung wieder aktiv voranzutreiben, Theorien
und Analysen zu erstellen und zu einer Repolitisierung von Widersprüchen, statt
deren „Sozialverträglichmachung“ beitragen.
Am Verhalten des fzs zum Bologna Prozess zeigt sich dabei symptomatisch diese
Problemkonstellation und die Unfähigkeit/Unwilligkeit des fzs diese Rolle
einzunehmen. Statt progressiv Freiräume für Interessensvertretung und
Selbstbestimmung zu fordern, begleitet der fzs aktiv die Akkreditierung der
Studiengänge und trägt seinen Teil zum Demokratieabbau an Hochschulen und der
Verschulung der Studiengänge bei.
Wir aber wollen einen Dachverband, der seine Politik nicht im Verhältnis zur
Mitte bestimmt, die zunehmend nach rechts rückt, sondern über seine Positionen,
die er immer wieder neu mit Inhalten füllt, statt nur reaktiv also aktiv agiert,
und in seiner politischen Praxis nicht Kompromisse um die eigenen Standpunkte
eingeht, in der Hoffnung dann auch mal am großen Tisch der Herrschenden sitzen
zu dürfen. Es geht um eine Kohärenz der eigenen Praxis mit den Positionen und
Grundlagen, die der Verband sich gegeben hat.
Die 32. MV in Lüneburg hat exemplarisch die mangelnde Selbstreflexion
verdeutlicht. Trotz einer langen Verbandsentwicklungsdiskussion ist es nicht
gelungen, über eine Vertagung der Perspektivenfrage in verschiedene Gremien
hinaus zu kommen, anstelle zu beginnen, die Debatte zu Ansprüche und Ideen zur
Reformierung konkret zu diskutieren.
Das der Verbandsauflösungsantrag abgelehnt wurde lässt leider nicht den
Rückschluss zu, das es gelungen wäre, die Sinnhaftigkeit des fzs vor den
gegebenen externen und internen Herausforderungen neu zu begründen.
Das in fzs Gremien immer dominantere Abgleiten von Debatten in technokratische
anstelle von inhaltlichen Diskussionen ist dabei lediglich Auswirkung der
bereits genannten, grundsätzlichen Konflikte im Verband.
Beispielhaft für den Zustand des Verbandes war die MV in Lüneburg auch deshalb,
weil in einem bisher nicht denkbaren Ausmaß Kritiklosigkeit und Arroganz
insbesondere in Abstimmungs- oder Wahlentscheidungen aber auch in Debatten
bewiesen wurde. Es wurde ganz offensiv artikuliert, das es nicht mehr auf einen
Austausch von Argumenten oder Gründen ankomme, sondern Ergebnisse durch vorher
feststehende Kräfteverhältnisse bereits entschieden seien – wohlgemerkt auch
jenseits von Qualifikation. Eine derart unintegrierende Haltung ist nicht nur
vor dem Selbstbild eines demokratisch organisierten Verbandes ein Fauxpas,
sondern ebenso schädigend für denselben. Wenn die Bedürfnisse und Ansprüche
einer signifikant großen Gruppe im Verband intentional ignoriert werden, hat
ihnen der Verband als Organisierungszusammenhang nichts mehr zu bieten. Ein
solches Auftreten und die Unfähigkeit eine relevante Bindewirkung für
Studierendenschaften zum Verband herzustellen oder auch nur zu wollen, ist nicht nur
politisch völlig falsch, sondern auch im Eigeninteresse des Selbsterhaltes
strategisch dumm.
Die politische Homogenität und Unausgewogenheit des neuen Vorstandes und AS oder
die Besetzung der ReferentInnenstelle für Frauen- und Geschlechterpolitik ist
dabei nur ein kleiner Spiegel dieses Sachverhaltes.
Wir haben über Jahre versucht, die Politik des fzs aktiv zu gestalten und uns zu
engagieren. Einige von den UnterzeichnerInnen sind Gründungsmitglieder des fzs
und haben in Gremien wie dem AS mitgewirkt, haben Anträge, Positions- und
Verbandsentwicklungspapiere erarbeitet, auf die nicht oder nur unzureichend
reagiert wurde.
Unsere Entscheidung, den fzs jetzt zu verlassen, geht dabei nicht auf eine
bereits gestartete „bessere Alternative“ zurück, sondern ist der Tatsache
geschuldet, dass unsere Energie und Geduld, die wir lange, leider vergeblich, in
notwendige Veränderungen des Verbandes investiert haben, schlicht ihr Ende
gefunden haben.
Wir sehen in unserem Austritt die Möglichkeit unsere Kräfte für neue Aufgaben zu
bündeln anstelle sie in internen Kämpfen weiter zu verschwenden.
Wir brauchen ein starkes, handlungsfähige Interessensvertretungen und einen
politische Akteur, der schlagkräftig auf die neoliberale Umstrukturierung von Bildungs- und
Sozialsystemen antwortet, sich eindeutig positioniert und kontinuierliche Arbeit
gewährleistet. Diese Anforderungen kann und will der fzs offensichtlich momentan
nicht erfüllen. Deshalb ziehen wir uns aus dem Verband zurück und treten
geschlossen aus.
AStA der Universität Giessen
AStA der Universität Marburg
AStA der Universität Frankfurt
AStA der Hochschule Darmstadt
StuRa der Universität Chemnitz

Mehr zum Thema:

-Rechtsruck im fzs
-Überblick über die fzs-Mitgliedhochschulen
-Bericht von der 32. ABS-Mitgliederversammlung
__________________________________

Ein Gedanke zu „Austrittswelle aus dem fzs

Kommentare sind geschlossen.