Revolution rocks: vor 30 Jahren starb Elvis Presley

„If there’s any hope for America, it lies in a Revolution. And if there’s any hope for a Revolution, it lies in getting Elvis Presley to become Che Guevara.“
Phil Ochs

Vor genau 30 Jahren, am 16. August 1977 wurde Elvis Presley, der King of Rock ´n Roll im Badezimmer seines Anwesens in Memphis tot aufgefunden. Ob er wirklich tot ist, weiß bis heute niemand, Fans und Verschwörungstheoretiker aller Coleur berichten von „Elvis Sightings“ überall auf der Welt. Gleich einem postmodernen Heiligen spukt Elvis durch die Träume jeder neuen Generation. Er ist präsent in Charts und Plattenläden, auf Flohmärkten und Bühnenshows, er inspiriert, polarisiert, fasziniert. Wie die Götter der alten Welt besitzt er die Fähigkeit der Bilokalität, ist überall und nirgends zugleich. Er wird von unzähligen Anhängern verkörpert, die in Ekstase zucken und in Zungen sprechen, von ihrem Idol besessen wie von einer Kraft aus dem Jenseits. Elvis Presley ist nicht totzukriegen, von tiefer Verachtung bis hin zu quasi-religiöser Verzückung ruft er die tiefsten Emotionen hervor.
Elvis Impersonators
Elvis das Produkt
Woher kommt dieser Ruhm? Viele linke Kritiker sehren Elvis Presley heute als ein reines Produkt der Kulturindustrie. Nichts als eine gecastete Größe, von einem cleveren Manager zur rechten Zeit am rechten Ort plaziert. Die wirkliche musikalische Innovation im Werk von Elvis geht zurück auf zahlreiche Einflüsse vor allem aus der Black Music, dem Gospel, dem Blues. Doch die war im rassistischen Apartheitssystem der US-Südstaten Mitte der 50er Jahre nicht salonfähig. Black Music wurde nicht im Radio gespielt, und dennoch wollte das weiße Publikum sie hören.
Weltbekannt ist mittlerweile der Ausspruch von Sam Phillips, Manager der Sun-Studios und erstem Produzenten Elvis: „Wenn ich einen weißen Mann finden könnte, der die Stimme und das Einfühlungsvermögen eines Schwarzen hat, dann könnte ich eine Million Dollar machen“.
Auch daß Elvis seine Songs nicht selbst schrieb, immer nur interpretierte, bestätigt diese Version vom Produkt Elvis. Musik aus einer schwarzen, tendenziell subversiven Subkultur in einer weißen und harmlosen Verpackung. Elvis und der Rock ´n Roll erscheint als Wiederholung der ewig gleichen Geschichte von der kommerzialisierung subkultureller Inhalte und Formen durch die Musikindustrie. Eine Geschichte, wie sie auch anhand von Hip-Hop, Punk und unzähligen anderen Stils und Styles erzählt werden könnte.
Botschafter der Reaktion?
Elvs Presley´s seltene politische Äußerungen scheinen den biederen und geradezu reaktionären Charakter des „Phänomen Elvis“ zu bestätigen. So diente er sich 1970, selbst gezeichnet von schwerer Drogensucht, dem US-Präsidenten Richard Nixon als Botschafter gegen den Drogenmißbrauch an. Während im Ganzen Land die Jugend gegen den Vietnamkrieg und das bankerotte politische System aufbegehrte, bot Elvis sich dem Kriegsherrn Nixon für dessen Politik an. In einer handgeschriebenen Notiz pries Elvis in krakeliger Kinderschrift seine Qualifikationen an:

„The drug culture, the hippie elements […], Black Panther etc. do not consider me as the enemy or, as they call it, the establishment“

Auch die Interpretation der kitischig-rassistischen Südstaatenhymmne mit ihren die Baumwollsklaverei glorifizierenden Zeilen „I wish I was in de land of cotton, Old times dar am not forgotten,…“ zeugt kaum von emanzipatorischem Bewußtsein. Seine gleichzeitige Hommage an Martin Luther King und die schwarze Bürgerrechtsbewegung durch den Song „If I can dream…“ rückt das Bild ein wenig zu Recht, reicht aber kaum zur Ausrufung von Elvis als Rebell und Dissidentem.
Elvis und die Linke
Und dennoch übt Elvis in allen politischen Lager eine Faszination aus, die ihresgleichen sucht – auch in der Linken. Die linksradikale Wochenzeitung Jungle-World sieht in Elvis Presley geradezu einen Botschafter der Revolution:

Die Frage, die nun im Raum steht, lautet: kann die Revolution ohne Revolutionsmusik stattfinden? Mit anderen Worten: kann die Revolution ohne Elvis Presley stattfinden? Hier wiederum muss man bedenken: die Revolution muss so oder so stattfinden. Stattfinden muss sie: denn sonst hören der Hunger und der Krieg und das Alleinsein und das Schlafwandeln ja nie auf. […] Die Antwort liegt auf der Hand: ohne Elvis Presleys Musik wäre die Revolution wahrscheinlich gar nicht möglich.

Mag man dies noch der pro-amerikanischen tendenz des Blattes zuschreiben, so ist man um so erstaunter, daß auch das Sturmgeschütz des linken Antiimperialismus, die Junge Welt, Elvis Presley in den höchsten tönen lobt. Auch hier wieder das Phänomen: zwei Fraktionen, die sich ansonsten hassen wie die Pest, sind beim Thema Elvis ein Herz und eine Seele.
Während die Jungle World an Elvis vor allem toll findet, daß er als GI in Deutschland den Faschismus bekämpfte (dabei jedoch leider 10 Jahre zu spät kam…), so lobt die Junge Welt ihn vor allem als Vorreiter einer sexuellen Revolution:

Laut P.J. Proby in dem Buch »Awopbopaloobop Alopbamboom« von Nik Kohn soll the pelvis auf seinen frühen Konzerten reihenweise minderjährige Mädchen zum Pettycoatnässen und Masturbieren mit abgerissenen Stuhlbeinen gebracht haben. Da nimmt es wahrlich nicht wunder, wenn die für ihre menschenverachtende Prüderie, protestantische Humorlosigkeit und kleinbürgerliche Spießigkeit bis auf den heutigen Tag berüchtigten Sittenwächter in den USA nicht gerade amüsiert waren. Kirchen, Elternverbände, Politiker wetterten zeitweise sogar mehr gegen den Verfall der Sitten im Rock’n’Roll, als sie gegen die Kommunisten hetzten.

Revolution aus der Hüfte…
Wenn auch der Elvis sich dem Establishment andiente und als Mr. Schwiegersohn kaum noch revolutionäres Potential entfalten konnte – der junge Elvis scheint eine Sprengkraft besessen zu haben, die nicht so einfach zu integrieren war. Dieses Phänomen ist ein gutes Beispiel für die Thesen von Christoph Spehr und anderen Medienwissenschaftlern in der Tradition der kritischen Theorie. Hier wird betont: Die Integration von Subkultur in den Mainstream gelingt nie vollkommen, denn die Kulturindustrie ist geradezu gezwungen, ein gewisses subversives Element beizubehalten, damit das neue Produkt innovativ wirkt und die Sehnsüchte der Kunden befriedigt.
Die totale Gleichschaltung der Kultur in einer „verwalteten Welt“, eine Schreckensvision des Theodor W. Adorno, scheint dadurch zumindest ein stückweit gebannt. Selbst der weichgespülteste Punk kann noch als Katalysator wirken für den Generationenkonflikt, die Rebellion gegen Eltern und angestammte Ordnung.
Ohne diesen Gedanken überzubewerten und jede Form des Pop für subversiv erklären zu wollen: gerade im Fall Elvis ist einiges dran an dieser These. Die Sexuelle Revolution jener „Hippie-Elemente“ die Elvis so suspekt waren, wurde nicht zuletzt vorbereitet durch den legendären Hüftschwung von „Elvis the Pelvis“ – jener Elvis der bei seinem ersten TV-Auftritt in der „Ed Sullivan Show“ nur von der Hüfte aufwärts gezeigt werden durfte, um die amerikanische Jugend nicht auf dumme Gedanken zu bringen.
Nicht ohne grund wurde der Rock ´n Roll im konservativen Süden der USA buchstäblich als Werk des Teufels verbannt und von Predigern aller Kongregationen bekämpft. Elvis eigenes naives Bekenntnis zum Christentum half da wenig, durch Rock ´n Roll und Hüftschwung wurde eine unterirdische Strömung der Subversion freigesetzt, der auch wir heute noch so einiges verdanken.
Auch in Deutschland wurde der Rock ´n Roll zur Vorbild einer Generation von halbstarken Rebellen, die sich dem Muff der 50er Jahre widersetzten. Diese Halbstarken, die einst die Berliner Waldbühne bei einem legendären Konzert völlig zerlegten, hatten zwar keine explizit politischen Inhalte, aber einiges an subversiver Kraft. Sie waren die halbbewußten Vorläufer von 68er Bewegung und Punk Rock – Strömungen, deren Einfluß aus der heutigen Protestkultur nicht wegzudenken sind.
Be your own Elvis…
Elvis als unfreiwilliger sexueller Revoluzzer – reicht das nun schon, um ihn zur Linken Ikone auszurufen? Mit einiger Dialektik vielleicht, interessanter erscheint uns jedoch nicht der historische Elvis, sondern seine heutige Repräsentation. Genauso wie der historische Jesus und das Christentum wenig gemeinsam haben, auch das Christentum an sich keine irgendeine einheitliche Lehre bzw Linie hervorgebracht hat, gibt es auch in der Church of Elvis eine Bandbreite vom reaktionärsten Jesuitentum bis hin zur Theologie der Befreiung.
Aneignung heißt das Stichwort, oder auch „be your own elvis“. Wie schon Amelie Poulin, Lisa Simpson oder Calvin aus den Comics sich vom bloßen Nonkonformismus hin zu linken Symbolen entwickelt haben, so ist dies auch mit Elvis Presley zu beobachten.
El Vez
Das spannendste Beispiel hierfür ist wohl der Mexikanische Elvis-Imitator „El Vez„, der auf Fanseiten mit folgenden Worten angepriesen wird:

El Vez wird in seinem neuen Programm „Rock und Revolution“ die zapatistische Revolution und Elvis verbinden, er wird Che Guevara und Glitter Rock zusammenführen, mit seinen Songs wie „Power to the People“, „Say it Loud, I’m Brown and I’m Proud!“ und „Go Zapatistas!“. Unterstützt von der einmaligen Allianz seiner Rebellen, den Lovely Elvettes und den Memphis Mariachis, wird El Vez nach den USA auch in Europa die Revolution ausrufen – neue Songs, neue Kostüme, neue Regierungen? Wir werden sehen.

Weder seine politische Indifferenz noch die versteinerten Kitschsongs seiner späten Jahre haben es also geschafft, der Ikone des „jungen Elvis“ als Symbol von Freiheit, Unvernunft, Rebellion, Nonkonformismus irgend etwas anzuhaben. Auch nach 30 Jahre nach seinem Tod kommen daher nur zwei Schlußworte für diese Zeilen in Frage: Elvis lebt!

4 Gedanken zu „Revolution rocks: vor 30 Jahren starb Elvis Presley

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