Protestbrief der FSI Ethnologie

Im folgenden dokumentieren wir einen Brief der FSI Ethnologie, die wegen einer public-private partnership der FU mit dem Klett-Verlag ihr Gebäude verlassen und in wesentlich kleinere Räumlichkeiten umziehen muß, was mit erheblichen Nachteilen für die Studierenden verbunden ist. Ein Vorgang, der wieder einmal klar zeigt, dass unserem Präsidium die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft wichtiger ist als die Zusammenarbeit mit den eigenen Studierenden.
Uns an die Studentische Rücktrittsforderung gegenüber Präsident Lenzen aus dem Streik 2003/2004 erinnernd unterstützen wir als FSi Geschichte daher nachdrücklich die Forderungen der FSI-Ethnologiestudis und fordern insgesamt den sofortigen Stop der Kommerzialisierung der FU Berlin.
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Berlin, den 27.02.2007
Sehr geehrter Herr Lenzen,
in Ihrem „Brief zum Jahreswechsel“ schrieben Sie: „… wenn es ein Problem gibt, ist es uns Anlass, es zu lösen, und nicht, es zu beklagen.“ Wir, die Fachschaft der Ethnologie, nehmen Sie beim Wort und fordern Sie stellvertretend für die Studierenden der Ethnologie auf, sich den Problemen zu stellen, die Ihre Politik an unserem Institut auslöste.
Die „private public partnership“ DUW der FU Berlin mit dem Klett-Verlag wurde im September letzten Jahres der Medienöffentlichkeit vorgestellt, die Verträge waren zu diesem Zeitpunkt offenbar unterzeichnet. Das Institut für Ethnologie jedoch, dessen Gebäude für die DUW geräumt wird, erfuhr davon erst im Dezember – postalisch.
In Unkenntnis des bevorstehenden Rauswurfs hatte die Fachschaft ein studentisches Café aufwändig renoviert und neu eröffnet, das sich als geselliger Treffpunkt zum Diskutieren, Lernen und Entspannen entwickelte und so zu einem gelungenen Beispiel der von Ihnen geforderten studentischen „Netzwerke“ wurde.
Das bedeutend kleinere Ersatzobjekt im Landoltweg wird das Café nicht aufnehmen können, schon die Bibliothek fiel dem Platzmangel zum Opfer und der übrig gebliebene Seminarraum ist des Namens nicht würdig. Dies hat weitreichende Konsequenzen: der maßgeblich in ein Magazin im Otto-Suhr-Institut ausgegliederte Bibliotheksbestand ist nicht digitalisiert, die Studierenden erreichen Gerüchte von zwei Tagen Wartezeit pro Bestellung – eindeutige Informationen hierzu wurden von Ihrer Seite her nicht gegeben. Die Theorieabteilung wandert als Präsenzbestand in den ohnehin schon überfüllten Lesesaal des OSI, der nun die weiteren siebenhundert Studierenden der Ethnologie aufnehmen muss. Die durch die fehlenden Seminarräume dislozierte Lehre bedeutet für die Studierenden beständiges Hetzen von LAI zur Silberlaube, zum OSI, zum Ethnologischen Museum – hieraus erwachsen zeitliche Ineffizienzen sowie Schwierigkeiten der Identifikation mit dem Institut und somit eine drastische Verschlechterung des Lernklimas.
Das neue Gebäude ist eine Baustelle: der Keller wird auf unbestimmte Zeit, zumindest jedoch das gesamte kommende Semester, trockengelegt. Baumaschinenlärm wird also Forschung und Lehre begleiten. Zudem genügt das Obergeschoss den Brandschutzverordnungen nicht und bleibt unnutzbar – Finanzierungsmöglichkeiten einer Feuerleiter sind derzeit nicht in Aussicht.
Nicht nur die Infrastruktur, auch die Personalpolitik der Universitätsleitung bereitet uns Sorge: nach dem plötzlichen Tod eines Professors wurde seine Stelle gestrichen. Die übrigen zwei Professuren, die in den kommenden zwei Jahren auslaufen, wurden bisher nicht ausgeschrieben. Werden wir bald unser Recht auf einen Abschluss einklagen müssen?
Angesichts derlei Praktiken zweifeln wir an der tatsächlichen „Wirtschaftlichkeit“ der FU, mit der sich die Leitung zuletzt so brüstete. Das Management missachtet die Bedürfnisse des Instituts und unterschätzt die Bedeutung demokratischer Miteinbeziehung der Betroffenen an Entscheidungsprozessen – ein wesentlicher Baustein zur Identifikation mit einer politischen Verwaltungsstruktur, zum gemeinsamen Ziehen an einem Strang.
An einer Wirtschaftlichkeit der Universität im Sinne der Effektivierung von Forschung und Lehre ist nichts einzuwenden, sie wäre angesichts der unhaltbaren Studienbedingungen des kommenden Semesters ausgesprochen wünschenswert. Wogegen wir uns jedoch entschieden wehren, ist die Verquickung von Universität und Ökonomie. Wir bestehen auf die nötige Distanz von Wirtschaft und Wissenschaft, die es für kritische Analysen braucht, und verurteilen die Gründung einer Privatuniversität mit öffentlichen Geldern als legalen Missbrauch dieser.
Wenngleich die Ansichten zwischen Fachschaft und Leitung im letztgenannten Punkt auseinander gehen mögen, haben wir konstruktive Verbesserungsvorschläge für unsere konkrete Situation erarbeitet und drängen auf eine zügige Rückmeldung Ihrerseits, um die Verbesserung unserer Studiensituation – wie im Rundschreiben versprochen – in Angriff nehmen zu können.
Als notwendig erachten wir:
● die Bereitstellung von Finanzierungsmöglichkeiten für die unverzügliche und vollständige Online-Verschlagwortung und Opac-Aufnahme des Magazin-Bestands;
● die Ausleihbarkeit der Theorieabteilung; die Bereitstellung und den Erhalt von Dubletten;
● einen eigens für die Ethnologie bestimmten großen Seminarraum mit Platz für 120 Studierende in einem Gebäude nahe des zukünftigen Instituts;
● die Finanzierung einer Feuerleiter oder eines Notausgangs zur Nutzung des zweiten Obergeschosses;
● die unverzügliche Ausschreibung der in Kürze auslaufenden Professuren und Mittelbaustellen;
● die Aufnahme des Dialogs mit den Betroffenen im Rahmen eines Runden Tischs der
Universitätsleitung und dem Ethnologischen Institut zur Besprechung der Probleme;
Mit freundlichen Grüßen,
die Fachschaftsinitiative der Ethnologie